Steffen, 52 Jahre:
Hallo, zu meiner Situation: ich arbeite seit 25 Jahren in einem mittelständischen Unternehmen. Mit meiner Stelle geht viel Verantwortung für Projekte und Personal einher. Ich bin seit 16 Jahren verheiratet und habe zwei Kinder. Ich bin eigentlich Alleinverdiener, meine Frau arbeitet nur tageweise und kümmert sich um unsere Kinder und meine pflegedürftigen Schwiegereltern. Dennoch geht es uns finanziell gut.
"Herzrasen, Schweißausbruche - bahnt sich hier ein Burnout an? Wie kann man Stress abbauen?"
Dieses Jahr war sehr beruflich unruhig. Wir hatten und haben Schwierigkeiten mit einem wichtigen Kunden, für den ich verantwortlich bin. Ich knie mich tief in die Arbeit, bin oft der erste und letzte im Büro. Abends fällt es mir seit Monaten schwer, nicht an die Arbeit zu denken. Das kenne ich bereits aus früheren Stresssitautionen. Oft liege ich dann lange im Bett, bevor ich einschlafe. Die Gedanken drehten sich dann um die ungelösten Themen. Ab und zu wache ich auch mitten in der Nacht hellwach auf – wieder mit Sorgen. Zur Frage „Wie kann man Stress abbauen?“ hab ich Einiges gelesen – Entspannungstechniken usw. Weiß nicht, ob das hilft…
Seit ein paar Wochen kommen körperliche Symptome hinzu. In stressigen Situationen, während Meetings oder vor nahenden Fristen – aber auch oft ohne erkennbaren Grund, bekomme ich Herzrasen und Schweißausbruche. Der Gedanke an einen Herzinfarkt macht mir große Angst. Ich fühle eine große körperliche Unruhe, die immer stärker wird. Mein Kollege meint, ich wäre überlastet und spricht von Burnout.
Daher die Frage an Sie, bahnt sich da ein Burnout an? Wie kann man Stress abbauen? Was kann ich tun, um mich wieder zu beruhigen?
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Antwort von Psychologen Online
Lieber Steffen,
es ist gut, dass Sie sich jetzt schon um Unterstützung bemühen. Körperliche Reaktionen sind ernste Warnsignale, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist. Ich würde Ihnen daher raten, sich als erstes organisch überprüfen zu lassen. Suchen Sie einen Arzt auf und lassen sich einmal auf Herz und Nieren prüfen.
Dann geht es an die Ursachenanalyse: Was sind die Themen, Strukturen und Arbeitsweisen, die Sie stressen und wo kann man Veränderungen bewirken? Scheuen Sie dabei sich keine drastischen Überlegungen. Könnten eine kürze Arbeitszeit, weniger oder andere Aufgaben und Verantwortlichkeiten, oder weniger beziehungsweise andere Kunden helfen?
Selbst wenn Sie über Veränderungen nicht selbst entscheiden können, suchen Sie das regelmäßige Gespräch mit Ihren Vorgesetzten und probieren Sie Alternativen aus. Verstehen Sie die Phase bewußt als einen Prozess, in dem Sie immer wieder beleuchten und mit Ihrem Vorgesetzten besprechen, wie es Ihnen geht. Im Sinne eines gesunden Arbeitsplatzes sollte hier dringend etwas verändert werden. Auch Ihr Arbeitgeber hat ein Interesse daran, dass es Ihnen besser geht. Denn wenn sich Ihr Zustand verschlimmern sollte und Sie tatsächlich in ein Burnout schlittern, fallen sie vielleicht für Monate aus.
Was treibt so stark an?
Hinterfragen Sie auch eigene Glaubenssätze. Was treibt Sie an? Warum hängen Sie sich so stark rein? Aus welchen Motivationen heraus handeln Sie? Sie sind der Ernährer der Familie. Wer wären Sie, wenn ihre Frau mehr als Sie verdienen würde? Sie sind ein anerkannter und erfolgreicher Vorgesetzter. Wer wären Sie in einer unteren Hierachieebene? Sie verwirklichen sich in Ihrer Arbeit. In welchen Projekten würden Sie sich in Ihrer Freizeit verwirklichen?
Wie kann man Stress abbauen?
Um herauszufinden, wie man persönlich Stress abbauen kann, muss man zuerst noch mehr über den Stress herausfinden. Durch ein besseres Verständnis der stresserzeugenden Situationen kann auch der bisher gewohnte Umgang mit Stress reflektiert werden. Sich darüber bewußt zu werden ist die Grundlage dafür, auch bewußt den Umgang mit Stress zu verändern. Wichtig ist ebenfalls, für die körpereigenen Warnsignale sensibel zu werden. Dabei hilft es, ein Stresstagebuch anzulegen. Nutzen Sie die zehn Minuten vor dem Schlafengehen, um sich ein paar Notizen zum vergangenen Tag zu machen, in der Sie folgende Fragen beantworten:
- Welche Situation hat mir heute Stress oder Druck bereitet?
- Wie habe ich darauf reagiert? Mit welchen Gefühlen und Gedanken, wie habe ich mich verhalten?
- Wie würde ich die Situation bewerten, habe ich mich leicht, mittelmäßig oder sogar sehr gestresst gefühlt?
In Anbetracht dessen können Sie Ihren Werkzeugkoffer entwickeln, um mit dem Stress umzugehen. Dazu können auch die Entspannungstechniken gehören, gegenüber denen sie ja noch etwas skeptisch klingen. Probieren Sie es trotzdem mal aus, schaden wird es sicher nicht.
Was noch, wie kann man Stress abbauen? Eine andere Option ist, sich bewußt Freizeit zu schaffen und diese aktiv zu gestalten. Was motiviert Sie? Was entspannt Sie? Für die einen ist das Sport oder mit dem Hund rauszugehen, für andere Aktivitäten mit Ihren Kindern, der Frau oder Freunden. Auch Musik hören oder Lesen hilft oft beim Abschalten.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort etwas weiter geholfen zu haben. Vielleicht können Sie diese Zeit der Veränderung auch Chance begreifen, wieder mehr auf sich selbst zu schauen.
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Klemens Lühr ist Psychologe, systemischer Berater und Coach und lebt in Dortmund.
- Die Antworten im Blog von Psychologen Online bieten eine erste Orientierungshilfe. Sie können keine Psychotherapie ersetzen und können auch keine Hilfe bei ernsten psychischen Problemen leisten. Die Online-Beratung erfolgt unentgeltlich durch einen Psychologen von Psychologen Online. Die Antwort bringt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin zum Ausdruck und spiegelt nicht unbedingt die Meinung von Psychologen Online wider.
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