Gregor, 33 Jahre:
Liebes Team von Psychologen Online,
ich denke schon seit langem, dass ich Hilfe dabei brauche meine Handysucht bekämpfen zu können. Mir fällt es schwer, ohne Handy aus dem Haus zu gehen, manchmal sogar das Zimmer zu verlassen, in dem das Handy liegt. Am Tag schaue ich bestimmt hundertmal darauf. Sogar ohne etwas konkretes zu suchen. Obwohl ich in meiner Umgebung noch schlimmere Fälle kenne, macht mir mein Verhalten zu schaffen. Ich fühle eine körperlich angespannt – so ein unruhiges Gefühl in der Magengegend. Die Unruhe nimmt erst ab, wenn ich wieder nachgesehen habe, ob jemand geschrieben hat. Doch nicht lange, bald kommt wieder der Impuls, nachzusehen. Abends fühle ich mich dadurch oft sehr unzufrieden…
"Ist es nur eine schlechte Gewohnheit oder muss ich gar eine Handysucht bekämpfen?"
Wenn ich an einen Alkoholsüchtigen denke, wäre ein Entzug wohl die richtige Variante. Ich habe bereits alle Töne abgeschaltet, weil ich gelesen habe, das dies extra konditioniert. Manchmal denke ich daran, das Ding einfach in die Tonne zu werfen. Dadurch würde ich mich jedoch von meinen Freunden und Bekannten abschotten. Und auch mein Arbeitgeber verlangt, dass ich über mein Handy erreichbar bin und damit arbeite.
Ist das eine schlechte Gewohnheit oder schon eine Handysucht? Wie kann ich mich besser kontrollieren oder ganz die Handysucht bekämpfen?
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Antwort von Psychologen Online
Lieber Gregor,
so wie Sie Ihren Umgang mit dem Handy beschreiben, geht es ja vielen Menschen; den ganzen Tag über immer wieder auf das Smartphone schauen, ob es Neuigkeiten gibt. Sie fühlen sich selbst damit unwohl und möchten etwas ändern – das ist doch ein erster guter Schritt, um, wie Sie sagen, Ihre Handysucht bekämpfen zu können.
Was ist Handysucht?
Dabei gibt es eine Handysucht im eigentlichen Sinne gar nicht – denn der Drang geht nicht von dem Gerät an sich aus, sondern eine Aktivität hat etwas suchtartiges. Dabei können mit dem Handy ja unterschiedliche Aktivitäten betrieben werden – im Internet surfen, Kommunikation (Messenger-Dienste), Spiele oder Soziale Medien. Sie beschreiben leider nicht genau, welche Aktivitäten Sie hauptsächlich nutzen, außer dass Sie nachschauen, ob „jemand geschrieben hat“.
Ab wann kann man von suchthaften Verhalten sprechen?
Hierbei ist nicht so wichtig, wie viel Zeit Sie mit dem Smartphone verbringen. Von einer Sucht kann man am ehesten sprechen, wenn Sie zugunsten der Handyaktivitäten andere alltägliche Dinge vernachlässigen, z.B. wenn Sie wichtige persönliche Kommunikation eher über einen Messenger-Dienst betreiben als in einem direkten Gespräch. Ein weiterer Hinweis ist eine starke Unruhe, wenn das Smartphone nicht verfügbar ist. So beschreiben Sie ja auch, dass es Ihnen schwer fällt ohne das Handy aus dem Haus oder dem Zimmer zu gehen.
Was steckt hinter der „Handysucht“?
Besonders interessant ist es, zu beobachten, in welchen Situationen Sie besonders geneigt sind, auf Ihr Handy zu schauen. Dabei können Sie herausfinden, welche Funktion dieses Verhalten eigentlich für Sie hat.
Die meisten Personen holen besonders oft ihr Handy aus der Tasche in Situationen mit „Leerlauf“, wie Wartezeiten, dem Weg zur Arbeit oder beim Nichtstun zu Hause. Damit wird – natürlich unbewusst - möglichen unangenehmen Gefühlen aus dem Weg gegangen und eine Selbstreflexion unterdrückt. Das ist oft der einfachere Weg, als sich mit aktuellen Problemen, Stressempfinden oder Konflikten auseinanderzusetzen, die einem sonst in einer solchen Situation bewusst werden würden. Dadurch lässt sich auch der Drang erklären, sich immer wieder mit dem Handy zu beschäftigen. Denn die eigentlichen Gefühle oder Gedanken drängen ja wieder nach vorn, wenn das Handy und damit die Zerstreuung weggelegt wurde.
Hinter dem häufigen Nachschauen, ob jemand Ihnen eine Mail oder Nachricht geschrieben hat oder in den Sozialen Medien auf einen Beitrag von Ihnen reagiert hat, könnte auch der Wunsch stehen, Sie mögen beliebt sein, beachtet und wahrgenommen werden. In diesem Sinne wirkt einen eingehende Nachricht als schneller positiver Verstärker, der dann ein gutes Gefühl oder eine Art Befriedigung macht. Und es ist verständlich, dass man davon den Tag über möglichst viel bekommen möchte.
Handysucht bekämpfen: Was kann man tun?
Wenn Sie sich mit Ihrem Handykonsum auf einer persönlichen, tieferen Ebene befassen möchten und etwas ändern mögen, empfehle ich Ihnen also, zu beobachten, welche Funktion es für Sie persönlich hat. Handysucht bekämpfen heitß in diesem Sinne zu schauen, wie Sie z.B. besser mit unguten Gefühlen, Stressempfinden, oder dem Wunsch, beachtet und gemocht zu werden umgehen können, anstatt dies durch Handybenutzung zu „überspielen“. Probieren Sie es doch mal aus: Wenn Sie den Drang haben, aufs Handy zu gucken, versuchen Sie statt dessen wahrzunehmen: Wie fühle ich mich gerade? Was ist bei mir los? Welche Gedanken gehen mir durch den Kopf? Bin ich durch irgend etwas verunsichert? Im besten Fall lernen Sie sich besser kennen, und das kann sogar spannender sein als eine Handynachricht!
Ich wünsche Ihnen dabei viele gute Erfahrungen!
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Nora Thiemann ist Psychologin und systemische Therapeutin. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
- Die Antworten im Blog von Psychologen Online bieten eine erste Orientierungshilfe. Sie können keine Psychotherapie ersetzen und können auch keine Hilfe bei ernsten psychischen Problemen leisten. Die Online-Beratung erfolgt unentgeltlich durch einen Psychologen von Psychologen Online. Die Antwort bringt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin zum Ausdruck und spiegelt nicht unbedingt die Meinung von Psychologen Online wider. Die Beratung von Psychologen Online per Videochat oder Telefon ist kostenpflichtig. Sollten Sie ein kostenfreies Beratungsangebot suchen, können Sie sich zum Beispiel an die Telefonseelsorge unter 0800/111 0 111 wenden