Weltschmerz: die globalen Probleme sind zu groß

Hallo,

mein Thema ist vielleicht etwas eigenartig. Ich beschäftige mich seit langer Zeit mit der Zukunft. Nicht mit meiner persönlich, sondern mit unser aller Zukunft - die Zerstörung der Natur, das Aussterben von Tierarten und die Abholzung des Regenwaldes. Das macht mich oft sehr traurig und hilflos. Was mir am meisten zu schaffen macht, ist, dass diese Entwicklung immer schlimmer wird und ich nichts dagegen tun kann. Ich selbst esse zum Beispiel kein Fleisch, möchte keine Auto oder versuche wenig zu konsumieren. Aber was bringt das schon, wenn alle anderen doch weitermachen?

Weltschmerz: "Ich fühl mich so hilflos, dass ich den ganzen Tag mit diesem schweren Gefühl im Bauch umherlaufe."

Ich habe das Gefühl, viele denken wie ich, aber handeln dann doch ganz anders. In der Politik freut man sich über Wirtschaftswachstum - dabei heißt das doch, mehr Naturverbrauch, mehr Zerstörung, mehr Klimawandel. Ich fühl mich so hilflos, dass ich den ganzen Tag mit diesem schweren Gefühl im Bauch umherlaufe. Auch in Gedanken schwingt das immer mit. Das hat fast was Depressives. Meine Mutter meint, Du immer mit Deinem Weltschmerz…

Aber auch ich bin mit mir im Konflikt. Meine Freundin möchte mit mir durch Asien reisen. Ich bin erst zwei Mal geflogen und war überhaupt noch nie soweit weg. Das fasziniert mich mega. Sie weiß natürlich, wie ich ticke und wir reden oft über meine Einstellung. Sie sagt, ich habe nur ein Leben. Und ob ich fliege oder nicht, macht überhaupt keinen Unterschied für die Welt. Das ich nicht den Unterschied mache, ist mir auch klar. Ich weiß nur nicht, ob ich mich damit verrate. Ich glaub, solche Situationen werden noch oft kommen.

Über Ihre Meinung freue ich mich sehr. Vielen Dank für Möglichkeit hier zu schreiben.

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Antwort von Psychologen Online

der Konflikt zwischen Denken und Handeln

Wie kann man sich trotz dieser globalen Herausforderungen zufrieden fühlen? Wie können Sie mit Ihrem Weltschmerz gut umgehen? Mir scheint, dass Ihr Leiden, durch den Konflikt zwischen Ihren eigenen Werte und Ihrer wahrgenommen Unzulänglichkeit, etwas zu verändern, entsteht. In der Psychologie spricht man von Dissonanz: zwei Dinge - Werte und Handeln - passen nicht stimmig zusammen und bewirken einen quälenden Konflikt. Was kann man also tun?

sich den Weltschmerz abtrainieren

Man könnte so weiterleben wie bisher und einfach Zeit verstreichen lassen. Wahrscheinlich ist, dass dieser Konflikt kleiner werden würde. Warum? Da die Dissonanz zwischen Werten und Handeln unangenehm ist, entwickelt unsere Psyche mit der Zeit eine Strategie, die uns weniger leiden lässt: sie verändert unsere Werte und Meinungen. In Ihrem Fall könnte so Ihre Begeisterung für den Naturschutz abnehmen. Das heißt mit der Zeit ändern sich Prioritäten bei unseren Werte, damit sie im Einklang mit unserem tagtäglichen Handeln stehen.

Und passende Rechtfertigungen für das eigene Handeln würde ebenfalls stärker. Die Überzeugung, selbst nichts bewirken zu können, zum Beispiel. Oder der Gedanke, dass es erdgeschichtlich bereits viele Male Artensterben auf unserer Erde gab. Vielleicht auch etwas Zynismus beim Gedanken, dass das Leben sicher wieder einen neuen Weg finden wird – trotz der aktuellen von Menschen gemachten Krise. Dann aber vielleicht dann ohne uns. Alles Gedanken, die wahrscheinlich dominanter würden, um beispielsweise die Annehmlichkeiten des Wohlstands zu genießen und zu akzeptieren, dass die Zerstörung der Natur weitergeht. Wie gesagt eine normale Reaktion unserer Psyche um das Leiden, ihren Weltschmerz, zu reduzieren.

Weltschmerz als Quelle für Veränderung

Aber es geht auch anders herum. Und damit haben Sie bereits begonnen: Sie können noch stärker nach Ihren Werten leben und handeln. Auch dadurch reduziert sich die Dissonanz. Das ist manchmal anstrengender, da die tagtäglichen Entscheidungen durch den Werte-Filter gehen müssen und von abgewogen werden müssen. Kaufe ich das, oder nicht? Wenn jedoch Pfade eingeschlagen sind und (Kauf)-Gewohnheiten eingeübt sind, wird es immer leichter. Auch wenn der eigene Beitrag klein scheint, hilft aktives Handeln gegen Ihrem Weltschmerz.

Suchen Sie Gleichgesinnte

Und, Sie sind nicht allein. Suchen Sie Räume aktiv auf, in denen Menschen so ticken wie Sie. Umweltverbände, NGOs, die Partei die Grünen… Dort werden Sie verstanden und finden Bestätigung für Ihre Ansichten. Sie finden Unterstützung und erfahren Gemeinschaft bei Gleichgesinnten. Sie können auch von Anderen lernen. Wie gehen diese Menschen mit Ihrem Konflikt, dieser Dissonanz, um? Können Sie Vorbilder finden?

Unser Beruf formt unsere Identität

Sie sind 18 Jahre alt. Beim Lesen Ihre Anfrage, kam mir die Vermutung, dass bei Ihnen die Wahl eines Berufes ansteht. Eine andere Seite unseres Wohlstands: wir haben Gestaltungsspielraum darin, wie wir unseren Lebensunterhalt verdienen. Wir müssen nicht in einer Fabrik arbeiten, die die Umwelt verschmutzt oder bedrohte Tiere wildern. Arbeit ist ein wichtiger Teil unserer Identität. Die Frage lautet also: wie können Sie sich beruflich verwirklichen? Vielleicht gehen Sie in die Politik? Oder Sie arbeiten für eine Umweltorganisation? Auch bei Wirtschafts- und Gesellschaftsmodelle gibt es Alternativen und gute Beispiele. Wie könnten Sie also an Lösungen für die globalen Probleme mitarbeiten?

Ich wünsche Ihnen auf Ihrem Weg viel Erfolg!