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Verlassene Eltern: wenn Kinder den Kontakt verweigern

verlassene eltern

Rot, weiblich, 52 Jahre

Hallo,
Ich habe Familie und erwachsene Kinder, stehe mitten im Leben, bin selbstständig und habe 30 Jahre Ehe in einer gefestigten Beziehung hinter mir. Ich bin sehr emotional und leidenschaftlich und kreativ. Was ich im Leben erreichen wollte, habe ich geschafft. Zu meiner jüngsten Tochter hatte ich immer ein besonderes Verhältnis, wir könnten uns immer alles sagen und haben meist eine Lösung für Probleme gefunden. Sie hat ein gutes Abitur, wollte eine Ausbildung machen, nach einem Jahr abgebrochen. Nun doch Studium, nach 2 Jahren abgebrochen. Sie lebt seit 3 Jahren nicht mehr zu Hause. Nun wird das Studium wieder abgebrochen und in eine Ausbildung in dieselbe Richtung begonnen. Vielleicht ist sie computersüchtig. Wir machen uns Sorgen und haben Angst um sie.

"UNsere Tochter teilte uns mit, dass sie uns liebt und respektiert, aber vorerst kein Kontakt mehr möchte. Uns, verlassene Eltern, zieht es gerade den Boden unter den Füßen weg."

Ostern war sie für eine Woche zu Hause. Wir hatten kaum Kontakt, sie hatte sich isoliert. Einen Tag vor der Abreise haben wir ein ruhiges Gespräch geführt. Dort teilte sie mir mit, dass sie uns liebt und respektiert, aber vorerst kein Kontakt mehr möchte. Sie schafft ihr Leben allein, sollte sie Hilfe brauchen, wendet sie sich an uns. Das klingt alles sicher nicht weiter schlimm, für Außenstehende. Uns, verlassene Eltern, zieht es gerade den Boden unter den Füßen weg. Es geht, wenn ich mich ablenken, am Tag einigermaßen. In Ruhe bin ich innerlich tieftraurig, schlafe schlecht und habe zu nichts mehr Lust. Immer wieder kreisen meine Gedanken um dieses Thema. Ich kann damit leider nicht umgehen und es ist das erste Mal, dass ich diesbezüglich Hilfe suche.

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Antwort von Psychologen Online


Liebe Anfragende,
aus Ihrer Nachricht lese ich viel Sorge um Ihre Tochter. Da sie sich scheinbar Ihrem Einfluss entziehen möchte, bleibt ein Gefühl von Ohnmacht. Wären wir gemeinsam im Gespräch, fände ich vor allem folgende Fragen interessant, mit Ihnen zu besprechen: Welche konkreten Ängste beschäftigen Sie? Wie denkt Ihre Tochter über diese Ängste? Und, was brauchen Sie, um diese schwierige Situation auszuhalten zu können?

Verlassene Eltern und viele Ängste

Zur Frage nach den Ängsten: Was treibt Sie um? Ist es die Sorge davor, dass Ihre Tochter in der eigenen Wohnung verwahrlost oder vereinsamt? Vielleicht sogar gesundheitlich gefährdet ist? Oder geht es eher um die berufliche Entwicklung, die Ihnen Sorgen bereitet? Sie sagten „verlassene Eltern“: Teilen Sie und Ihr/e Gesprächspartner genau dieselben Einschätzungen, oder gibt es unterschiedliche Meinungen? Der Gedanke dahinter: Konkretisieren Sie Ihre Befürchtungen, damit Sie nicht nur ein diffuses Bauchgefühl bleibt. Wenn Sie die konkreten Befürchtungen ausgesprochen haben, überprüfen Sie, wie andere Menschen darüber denken. Vielen Menschen kennen Ihre Tochter, dennoch unterscheiden sich die Meinungen oft deutlich – weil andere Beziehungen bestehen oder man die Situation mit seinem ganz persönlichen Blick betrachtet.

Was denkt Ihre Tochter, über Ihre Ängste? Aus Ihren Beschreibungen wurde mir nicht deutlich, wie offen Sie Ihre Befürchtungen mit Ihrer Tochter teilen. Kennt sie Ihre Ängste und Vermutungen, beispielsweise die der Spielsucht? Weiß Ihre Tochter, wie schwer der Wunsch nach Abstand für Sie zu ertragen ist? Vielleicht ist es möglich mit Ihrer Tochter über Ihr Gefühl in den Austausch zu kommen – und, gemeinsam nach Wegen zu suchen, wie Sie beide die aktuelle Situation gut aushalten können.

Verlassene Eltern oder nur zurzeit kein Kontakt?

Ihre Tochter wünscht sich mehr Abstand. Dahinter könnte der Wunsch nach Unabhängigkeit und Freiheit stecken. Angenommen Sie würde Ihre Sorge als Druck und Kontrolle erleben, könnte daraus das Bedürfnis nach mehr Distanz entstehen. Möglich wäre, dass sich ihre Tochter gerade im einem Prozess der Selbstfindung befindet und keine Erwartungen oder Meinungen von außen wünscht. So gibt es viele Ursache für ihr Verhalten. Für Ihre Tochter war es eine sinnvolle Entscheidung - je mehr Sie diesen Sinn verstehen, desto ruhiger und vertrauensvoller könnten Sie werden.

Was brauchen Sie, um ruhiger zu werden?

Was kann Ihnen Sicherheit verschaffen? Ich könnte mir vorstellen, dass eine Verabredung mit Ihrer Tochter – monatlich einmal zehn Minuten zu telefonieren, Linderungen verschaffen könnte. Vielleicht würde es Ihnen auch etwas bessergehen, wenn ihre Tochter einen Kümmerer hätte – eine vertrauensvolle Person, die Zugang zu Ihrer Tochter hat und nach dem Rechten sieht. Vielleicht hilft Ihnen auch der Gedanke, dass ihre Tochter viele Stärken besitzt – wie dem Selbstbewußtsein, „ihr Leben allein zu schaffen“.

Ich wünsche Ihnen alles Gute.

  • Bettina Kappe ist systemische Theapeutin und Coach und lebt in Holzwickede bei Dortmund.

  • Die Antworten im Blog von Psychologen Online bieten eine erste Orientierungshilfe. Sie können keine Psychotherapie ersetzen und können auch keine Hilfe bei ernsten psychischen Problemen leisten. Die Online-Beratung erfolgt unentgeltlich durch einen Psychologen von Psychologen Online. Die Antwort bringt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin zum Ausdruck und spiegelt nicht unbedingt die Meinung von Psychologen Online wider. Die Beratung von Psychologen Online per Videochat oder Telefon ist kostenpflichtig. Sollten Sie ein kostenfreies Beratungsangebot suchen, können Sie sich zum Beispiel an die Telefonseelsorge unter 0800/111 0 111 wenden