Sofia, weiblich, 32 Jahre
Hallo, ich bin eine junge Chefin in einer Abteilung einer Agentur und habe Probleme mit einer älteren Mitarbeiterin. Die Erniedrigung und das ständige Hinterfragen meiner Entscheidungen geht mir langsam zu weit.
"Muss ich als junge Chefin den Konflikt wagen?"
Ein einfaches Beispiel: heute habe ich ihr untersagt auf Werbung für ein Produkt zu veröffentlichen. Wir wollen unsere Werbung auf andere, verkaufsstarke Ware, konzentrieren stehen. Das sagte ich ihr. Sie sagte nur, dass die Werbung bleibt, weil sie wissen will, wie die Kunden diese wahrnehmenen. Das Problem: auch wenn der Kunde das beworbene Produkt gut findet, könnten wir durch einen anderen Schwerpunkt mehr Gewinn manchen. Ein Beispiel von vielen...
Ich weiß nicht, was ich machen soll? Muss ich hier den Streit suchen? Nicht sauer werden, fällt mir schwer. Ich habe eine riesen Wut. Wenn ich die Bonbons morgen wegnehme, wird es Streit geben. Muss ich als Vorgesetzte den Konflikt wagen? Vielen Dank.
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Antwort von Psychologen Online
Liebe Sofia,
Sie fühlen sich von einer älteren Mitarbeiterin nicht in Ihrer Rolle als junge Chefin anerkannt. Dinge, die diese Mitarbeiterin tut oder sagt, werten Sie als fehlenden Respekt oder sogar Erniedrigung. Sie haben verschiedene Möglichkeiten, mit dieser Situation, die Sie sichtlich belastet, umzugehen.
Als erste Idee kam Ihnen in den Sinn, der Mitarbeiterin Grenzen zu setzen und ihr z.B. zu untersagen, die Werbung zu schalten. Dieses Recht haben Sie, denn Sie sind ja die Chefin. Nur wird dieses Vorgehen vermutlich auf einen Machtkampf hinauslaufen, in dem jede Person versucht, ihr Gesicht zu wahren und ihr Verhalten zu rechtfertigen.
Welche Bedürfnisse hat Ihre Mitarbeiterin?
Vielleicht helfen ein paar zusätzliche Überlegungen: Was wäre, wenn die ältere Mitarbeiterin Sie gar nicht erniedrigen möchte, sondern einen Weg sucht, Ihre Aufmerksamkeit und Anerkennung zu bekommen? Wohl möglich will sie Ihnen beweisen, dass auch sie noch einen Wert für das Unternehmen hat. Vielleicht hofft sie, von Ihnen zu hören, dass sie eine gute Idee mit der Werbung hatte. Sie können ihr ja dann auch Ihre eigenen Überlegungen dazu mitteilen - und das am besten auf Augenhöhe, d.h. in gegenseitiger Achtung voreinander trotz des hierarchischen Unterschieds.
Wenn Sie ähnliche Situationen immer wieder mit dieser Mitarbeiterin erleben, wäre ein grundsätzliches Gespräch unter vier Augen angebracht. Sie könnten ihr mitteilen, wie es Ihnen geht (dass es z.B. nicht immer leicht ist, junge Chefin zu sein) und dass Sie sich wünschen würden, einen gemeinsamen Weg zu finden, der einen gegenseitigen respektvollen Umgang miteinander ermöglicht. In diesem Gespräch könnten Sie ihr ein positives Feedback geben, d.h. Dinge benennen, die Sie an der Mitarbeiterin schätzen (z.B. ihre Pünktlichkeit, ihr Mitdenken oder ähnliches). Dann ist es nämlich auch viel leichter, über kritische Punkte zu sprechen.
die Rolle einer jungen Chefin thematisieren
Es könnte auch sein, dass es der Mitarbeiterin tatsächlich schwer fällt, sich auf Sie als junge Chefin einzulassen. Vielleicht hat sie Kinder und ist gewohnt zu sagen, wo es lang geht. Auch in diesem Fall hilft ein offenes Gespräch. Dieses könnten Sie in ungestörter Atmosphäre z.B. mit der Bemerkung beginnen "Ich habe den Eindruck, dass es Ihnen schwer fällt, mich als junge Chefin zu akzeptieren. Ich bedaure das sehr und möchte mich gerne mit Ihnen unterhalten, um einen guten Weg für uns zu finden. Wie sehen Sie denn die Situation?"
Wie Sie sehen, ist die Werbung nicht das eigentliche Problem. Sie können Größe dadurch beweisen, dass Sie das offene Gespräch nicht scheuen und sich in dieses Gespräch auch selbst mit Ihren eigenen Gefühlen und Bedürfnissen einbringen. Ich wünsche Ihnen viel Glück dabei!
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Elke Aliatakis ist Psychologin und systemische Therapeutin und lebt in Herrenberg.
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