Freak, männlich, 20 Jahr
Hallo, ich habe im Juni mein Abitur bestanden, aber stehe dennoch mit ziemlich leeren Händen da. Um einen Ausbildungsplatz habe ich mich nicht gekümmert und meinen Studienplatz habe ich wieder abgeben. Seit ca. 4-5 Jahren habe ich nämlich soziale Ängste und eine mittelschwere Depression.
"Internet, Videospiele und Essen sind die einzigen Dinge, die mir noch Freude bereiten. Habe ich eine Computerspielsucht?"
Anstatt mich um Bewerbungen zu bemühen, hänge ich den ganzen Tag vor dem PC und komme nur raus, wenn ich meinem Nebenjob nachkommen muss. Internet, Videospiele und Essen sind die einzigen Dinge, die mir noch Freude bereiten und dementsprechend verbringe ich nur damit viel Zeit. Freunde treffen ich nicht und kann mich kaum aufrappeln, rauszugehen. Meine Eltern machen sich schon große Sorgen und reden von Computerspielsucht. Was wäre in meiner Lage erste Schritte?
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Antwort von Psychologen Online
Vielen Dank für Ihre Anfrage.
Bevor wir das Thema Computerspielsucht besprechen: Da Sie von einer „mittelschweren Depression“ berichten, frage ich mich, ob Sie sich in den letzten Jahren therapeutische Unterstützung gesucht haben. Wenn Sie eine Therapie gemacht haben, kennen Sie sicherlich bereits viele Werkzeuge, die halfen, Ihre Motivation zu steigern und wichtige Aufgaben anzugehen.
Was hat sich in den letzten Jahren als hilfreich erwiesen und was könnten Sie von dem einst Gelernten heute nutzen? Vielleicht ein stärker strukturierter Tag mit geplanten Aufgaben für Ihren Vormittag und Nachmittag? Oder gezielte und regelmäßige Bewegung und Sport? Welches heutige Ziel konnte für Sie so interessant sein, dass Sie mehr Lust verspüren, sich dafür aufzurappeln, als das aktuelle Videospiel fortzusetzen?
Was wäre Ihr Bedürfnis hinter einer Computerspielsucht?
Sie schreiben, Sie säßen den ganzen Tag vor dem PC, ihre Eltern reden von Computerspielsucht - scheinbar haben Sie sich in letzter Zeit an ein Muster gewöhnt, dass Ihnen wenig Zufriedenheit verschafft. Jetzt gilt es, dieses Muster mit neuen Tätigkeiten aufzubrechen. Der erste Schritt ist vielleicht noch schwierig und Sie verspüren noch wenig Lust und Kraft. Aber wenn der Zug sich erst einmal in Bewegung gesetzt hat, fährt er bald von alleine. Vielleicht bemerken Sie bereits am Abend des ersten Tages eine kleine Veränderung? Wenn ja, welche genau? Manche Menschen finden es hilfreich, kurz aufzuschreiben, was Sie am Tag gemacht haben und wie Sie sich dabei gefühlt haben. So werden Sie sensibler dafür, was Ihnen guttut.
Sie schrieben davon, dass nach Ihrem Abitur nun die Frage im Raum steht, wohin Ihre Reise geht. Gerade dann, wenn ein neuer und ungewisser Lebensabschnitt ansteht, kann der nächste Schritt mit Unsicherheiten und Ängsten verbunden sein. Man könnte die Phantasie haben, dass die Videospiele Sie davon abhalten, den nächsten Schritt zu machen. Stellen Sie sich mal vor, Sie wachen Morgen auf, und Ihr Computer ist verschwunden und es gibt keine Möglichkeit, auf anderen Wegen ins Internet zu gelangen oder Videospiele zu spielen: Was würden Sie mit diesem Tag anstellen?
Umgang mit einer möglichen Computerspielsucht
Möglichweise liegt bei Ihnen bereits eine Sucht vor. Nicht nur Drogen und Alkohol können süchtig machen. Auch Internetsucht ist ganz und gar nicht selten. Wenn Sie selbst denken, dass Sie schlecht vom PC "abschalten" können: Auf der tollen Homepage www.ins-netz-gehen.de erhalten Sie kostenlose Tipps, wenn man zu viel PC oder Computer nutzt. Es gibt einen Selbsttest zu Computerspiel- und Internetsucht und mit dem Programm „Das andere Leben“ ein Ansatz, die richtige Balance zwischen der virtuellen und der realen Welt zu finden.
Option: Psychotherapie
Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie möglicherweise süchtig sind und Unterstützung von außen benötigen, empfehle ich Ihnen, sich an Ihren Hausarzt zu wenden. Eine psychologische Therapie bei depressiven Symptomen oder bei Suchterkrankungen wird von der Krankenkasse übernommen und ist daher für Sie kostenfrei.
Ich hoffe, Ihnen weitergeholfen zu haben und wünsche Ihnen alles Gute!
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Klemens Lühr ist Psychologe, systemischer Berater und Coach und lebt in Dortmund.
- Die Antworten im Blog von Psychologen Online bieten eine erste Orientierungshilfe. Sie können keine Psychotherapie ersetzen und können auch keine Hilfe bei ernsten psychischen Problemen leisten. Die Online-Beratung erfolgt unentgeltlich durch einen Psychologen von Psychologen Online. Die Antwort bringt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin zum Ausdruck und spiegelt nicht unbedingt die Meinung von Psychologen Online wider.
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