Robert, 46 Jahre:
Liebes Team von Psychologen Online,
es geht um meine Partnerin. Wir sind schon seit 16 Jahren zusammen und wohnen gemeinsam in einer Wohnung. Was es für mich so schwer macht ist, dass sie schon seit langem in einer Depression steckt. Es gibt mal bessere und mal schlechtere Phasen, im Moment ist es wieder ziemlich schlimm. Sie kommt kaum aus dem Bett und wenn, dann nur um sich mit einem Kaffee auf das Sofa zu verkriechen. Sie ist ständig am Grübeln über die Zukunft, das Hier und jetzt und alles Mögliche. Bei der Arbeit ist sie schon seit Monaten krank geschrieben. Sie möchte nichts mehr mit mir unternehmen und ich kann entweder auch zu Hause bleiben oder allein Freunde treffen oder Aktivitäten nachgehen. Sie war vom Typ her schon seit ich sie kenne eher skeptisch und zurückgezogen. So habe ich sie auch angenommen. Ich liebe sie wirklich, aber langsam wird ihre Krankheit zur Zerreißprobe für mich, weil es einfach zu extrem ist.
Angehörige psychisch Kranker: "Und ich merke auch, dass ich mich immer öfter über sie ärgere und genervt bin."
Sie hat von ihrer Hausärztin ein Antidepressivum verschrieben bekommen, das nimmt sie aber nicht, weil sie sich davon so benommen fühlt und der Mund ganz trocken wird, wie sie sagt. Ich und auch andere haben ihr schon häufig gesagt, dass sie eine Therapie machen soll, aber sie will einfach nicht, weil sie glaubt, dass es sowieso nichts bringt. Ich bin mit meinem Latein am Ende und weiß nicht mehr wie ich ihr helfen soll. Und ich merke auch, dass ich mich immer öfter über sie ärgere und genervt bin. Wie kann ich ihr helfen, damit meine Freundin daraus findet?
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Antwort von Psychologen Online
Lieber Robert, vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich kann gut nachvollziehen, dass Sie sich hilflos fühlen. So geht es vielen Angehörigen von Menschen mit Depression. Eine typische Erscheinung ist, dass die Betroffenen wenig Antrieb haben und sich hoffnungslos fühlen. Das macht es schwerer, sich professionelle Hilfe wie eine Therapie zu suchen. Ein typsicher Gedanke ist: „mir geht es schlecht und es wird immer so bleiben“.
Die unerwünschten Wirkungen des Medikaments sind typisch für einige Antidepressiva gerade am Anfang der Behandlung. Häufig werden sie bei längerer Einnahme weniger oder gehen ganz weg. Nur wenn die Partnerin mit der Ärztin über die Nebenwirkungen spricht, dann diese etwas verändern, z.B. einen andere Dosierung ausprobieren oder ein anderes Medikament.
Tanz um das Symptom bei Angehörigen psychisch kranker Menschen
In Beziehungen, in denen ein Partner eine Depression hat oder als psychisch krank gilt, geschieht zwischen den Personen häufig etwas, das in der systemischen Therapie „Tanz um das Symptom“ genannt wird: Alles fokussiert sich auf die Krankheit, es ist ständig Gesprächsthema. Dabei kommt es oft zu ungünstigen Dynamiken, in denen jeder eine Position einnimmt und sich darauf versteift, z.B. „du bist krank“ gegen „ich bin nicht krank“. Oder „wenn du mich liebst, machst du eine Therapie“ gegen „wenn du mich liebst, drängst du mich nicht in eine Behandlung, sondern nimmst mich so wie ich bin“. Diese Dynamiken verfestigen sich oft, und es ist gar nicht mehr möglich, in der Beziehung etwas anderes zu sehen, als dieses Thema. Leider hat es auch oft die Folge, dass sich die Symptome oder die Krankheit eher verfestigt, als bessert.
gemeinsam Auszeit nehmen
Wenn Sie eine solche Dynamik bei sich und ihrer Partnerin sehen, empfehle ich Ihnen, sich bewusst Auszeiten vom Thema Depression zu nehmen. Was können sie noch gemeinsam machen, ohne dass das Zusammensein davon getrübt wird. Es können auch scheinbar kleine Alltäglichkeiten sein, z.B. ein schönes Essen zusammen oder ein gemeinsamer Film auf dem heimischen Sofa.
sich selbst Unterstützung organisieren
Bei allen guten Absichten können Sie Ihre Partnerin nicht in eine Therapie drängen. Letztendlich ist sie für sich selbst verantwortlich. Diese Hilflosigkeit ist schwer zu ertragen. Dort finden Sie auch Angehörige psychisch kranker Menschen, mit denen Sie sich darüber austauschen können. Es geht vielen liebenden Menschen ähnlich wie Ihnen. Es gibt auch Selbsthilfegruppen für Angehörige, bestimmt auch in Ihrer Region.
Sie sollten neben der Sorge auf die Partnerin auch Ihren Blick auf das eigene Wohlbefinden wenden. Was tut Ihnen gut? Wo können Sie neue Energie schöpfen und Abstand finden. Ein gutes soziales Netz ist wichtig, Freunde und Verwandte. Dies sollten sie pflegen und nutzen, auch wenn ihre Partnerin nicht mitgehen möchte.
Ich wünsche Ihnen alles Gute!
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Nora Thiemann ist Psychologin und systemische Therapeutin. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
- Die Antworten im Blog von Psychologen Online bieten eine erste Orientierungshilfe. Sie können keine Psychotherapie ersetzen und können auch keine Hilfe bei ernsten psychischen Problemen leisten. Die Online-Beratung erfolgt unentgeltlich durch einen Psychologen von Psychologen Online. Die Antwort bringt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin zum Ausdruck und spiegelt nicht unbedingt die Meinung von Psychologen Online wider. Die Beratung von Psychologen Online per Videochat oder Telefon ist kostenpflichtig. Sollten Sie ein kostenfreies Beratungsangebot suchen, können Sie sich zum Beispiel an die Telefonseelsorge unter 0800/111 0 111 wenden