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Zukunftsangst: Wenn Sorgen zur Belastung werden

foto Zukunftsangst

Unbekannt, 20 Jahre:

Sehr geehrtes Team,

die multiplen Krisen der Welt (Klimakrise, Biodiversitätskrise, Rechtsruck, Kriegsbedrohung, USA Rückzug aus Bündnissen) machen mir zunehmend Angst und Sorge. Immer öfter muss ich ohne konkreten Anlass weinen und ich habe große Angst vor der Zukunft. Bin ich psychisch krank? Was kann ich tun?

Stellen Sie hier anonym Ihre Frage an Psychologen Online

Antwort von Psychologen Online

Lieber Herr / Liebe Frau,

als Erstes möchte ich Ihnen sagen, dass Sie keineswegs psychisch krank sind. Es ist gesund und natürlich auf eine Bedrohungslage mit Angst und Sorge zu reagieren.

Dennoch macht es Sinn, sich jetzt gut um sich zu kümmern und alles dafür zu tun, um daran nicht zu verzweifeln und aus dieser gesunden Angst nicht eine chronifizierte Dauerangst zu entwickeln. Denn das würde bedeuten, dass Sie ihren Organismus in einen Dauerstress versetzen und das ist nachgewiesenermaßen krankmachend.

Warum Zukunftsangst normal ist – und wann sie zum Problem wird

Angststörungen, Panikattacken, Depression o.ä. können die Folge sein.
Nun können wir bei globalen Krisen nicht einfach weggehen und uns so in Sicherheit bringen. Dennoch können wir Einiges dafür tun, dass wir uns immer wieder selbst-regulieren und zu einem gesunden Mittelweg finden. Dieser Mittelweg bedeutet, dass wir uns weder von der Angst beherrschen lassen und nur noch Angst SIND noch dass wir uns gefühllos machen, uns ablenken bis wir (zumindest scheinbar) gleichgültig und gefühllos gegenüber der Weltlage sind.

Dafür macht es Sinn ein wenig über unser Autonomes Nervensystem (ANS) und unsere Defensivreaktionen zu erfahren, die uns seit Anbeginn des Menschseins darin begleiten, dass wir überleben. Danach werde ich Ihnen einige Tipps geben, was Sie selbst tun können und daran anschließend werde ich Ihnen auch die Grenzen des eigenen Tuns aufzeigen und wann es dann doch sinnvoll sein kann über einen stationären Aufenthalt in einer Klinik oder über ambulante Psychotherapie nachzudenken.

Zukunftsangst - Wie unser Nervensystem auf Krisen reagiert

Unser ANS arbeitet sozusagen permanent im Hintergrund an unserem Überleben. Da das unterhalb unserer Bewusstseinsgrenze passiert, bemerken wir meist nur die körperlichen, psychischen und emotionalen Folgen. Das ANS „prüft“ also ob wir sicher sind oder ob eine Bedrohung, eine Gefahr vorliegt. Kommt es zu dem Schluss, dass wir sicher sind, dann sind wir gut in der Lage im „Hier und Jetzt“ zu sein, uns zu spüren, auf Andere zuzugehen, zu kommunizieren und uns einzubringen. Andernfalls aber „rutschen“ wir quasi in unsere Defensivreaktionen, also in Flucht- oder Kampftendenzen oder in eine sogenannte Starre (oder Freeze).
Hinweise auf Kampf oder Fluchtimpulse können sein: den Raum verlassen wollen oder es tatsächlich tun, weggehen oder wütend sein, Türen schmeißen, laute oder Fäkalsprache usw.
Hinweise auf Freeze können sein: sich als Opfer fühlen, gefühllos sein, Bewegungs- oder Impulslosigkeit, Gleichgültigkeit usw.

Selbstregulation fängt im Grunde genommen also da an überhaupt mitzubekommen was gerade passiert und dass wir in diese Defensivreaktionen gerutscht sind. Angst und Weinen -Symptome die Sie beschreiben, können ein Hinweis auf Gefühle von Hilflosigkeit und Ohnmacht und damit auf Freeze hinweisen.

Strategien gegen Zukunftsangst: Selbstregulation und Gemeinschaft

Sich jemandem Ihres Vertrauens anvertrauen, über Ihre Gefühle, über Ihre Gedanken, über sich sprechen und zwar am besten mit jemandem, der vor allem bereit ist zuzuhören. Tiefes Zuhören, ohne Beschwichtigung, ohne Lösungen anzubieten, „einfach“ da sein. Das ist gar nicht so einfach und erfordert meist ein wenig Erfahrung mit dem sogenannten „Heart spreech“. Ich kann Ihnen aber versprechen, dass sich das lohnt das zu üben!

Alleine oder gemeinsames Singen, tanzen, tönen, summen, nicht sexuell intendierte Berührungen, in die Natur gehen und sich mit ihr zu verbinden und ihr zuzuhören, sich mit anderen Menschen zusammentun und gemeinsam überlegen, was die Gruppe dem entgegen setzen könnte, Projekte planen und umsetzen von gemeinsamem Gärtnern, Gemeinwohlökonomie, Orte gelebter Utopie oder bereits bestehende Gemeinschaften aufsuchen und sich dort mit anderen Menschen verbinden.

Das Gegenmittel ist allgemein also: sich selbst regulieren, indem Sie sich öffnen für sich selbst, für Ihre nicht nur menschliche Mitwelt und in Bewegung kommen durch Musik und Tanz und Wandern und Sport UND Co-Regulation zulassen durch das echte Miteinander mit anderen Menschen (und anderen nicht-menschlichen Verwandten), durch gemeinschaftliche Erfahrungen, durch das Aktiv werden (was auch eine Form von Bewegung darstellt).

Sollte das alles emotional und psychisch keinen Unterschied (mehr) machen, dann macht es Sinn eine psychotherapeutische Sprechstunde aufzusuchen, zu uns zu kommen oder Kontakt zu psychiatrischen Kliniken aufzunehmen.

Das wird zunehmend dann wichtig, wenn Sie beginnen suizidale Gedanken zu entwickeln. Warten Sie nicht zu lange, gehen Sie den Schritt lieber früher als später und holen Sie sich Unterstützung!

Ich wünsche Ihnen Alles Gute

  • Ines Walter ist Psychologin und Gestalttherapeutin. Sie lebt in Berlin.

  • Die Antworten im Blog von Psychologen Online bieten eine erste Orientierungshilfe. Sie können keine Psychotherapie ersetzen und können auch keine Hilfe bei ernsten psychischen Problemen leisten. Die Online-Beratung erfolgt unentgeltlich durch einen Psychologen von Psychologen Online. Die Antwort bringt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin zum Ausdruck und spiegelt nicht unbedingt die Meinung von Psychologen Online wider.
    Die Beratung von Psychologen Online per Videotelefonie oder Telefon ist kostenpflichtig. Sollten Sie ein kostenfreies Beratungsangebot suchen, können Sie sich zum Beispiel an die Telefonseelsorge unter 0800/111 0 111 wenden.


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